Weit verbreitet ist die Meinung, dass Stroh nur die gedroschenen und getrockneten Stengel von Weizen, Roggen oder Gerste betitelt. Jedoch benennt der Begriff Stroh an sich, getrocknete und gedroschene Stängel und Halme aller Feldfrüchte, also auch die der Hafer-, Dinkel-, Flachs- und Hanfpflanzen oder kurz geschrieben, aller Getreide- und Faserpflanzen. Im Bauwesen jedoch wird in Mitteleuropa i.d.R. nur das Stroh von Getreidepflanzen verwendet und hierbei hauptsächlich das Weizenstroh. Hauptgrund hierfür ist neben der vorhandenen Festigkeit des Rohstoffes natürlich auch die Verbreitung dieser Getreideart, die wir z.B. in Deutschland in nahezu jedem Landstrich finden und beziehen können.
Aber warum ausgerechnet Stroh als Baustoff? Diese Frage ist recht einfach beantwortbar. Der Rohstoff ist günstig, hochwärmedämmend, wohngesund und vor allem durch eine regionale Beziehbarkeit auch absolut umweltfreundlich und ökologisch sinnvoll. Grundsätzlich sind Strohballen im Bauwesen keine Erfindung der Gegenwart sondern viel mehr ein seit mind. Ende des 19. Jhd. bekannter Baustoff. Siedler dieser Zeit haben in holzarmen Landstrichen die sogenannten Nebraska Häuser aus Heuballen, lasttragend ohne weitere Holzständer, gebaut. Hiervon sind sogar noch einige in der heutigen Zeit bewohnbar, was bedeutet, dass durchaus langlebige Häuser aus Stroh gebaut werden können. Wie bei den meisten Produkten aus pflanzlichen Rohstoffen sind jedoch auch Strohballenhäuser nach der Erfindung der synthetischen Baustoffe (um 1940) nahezu in Vergessenheit geraten, bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Bevölkerung langsam erkannte, dass Energieaufwand zur Herstellung dieser Kunstprodukte und vor allem der entstehende Sondermüll vieler synthetischer Produkte, über kurz oder lang nicht mehr tragbar sind. Erst zum Ende des letzten Jhd. hat man sich ganz langsam wieder den Produkten aus der Natur zugewandt. In der Gegenwart finden wir nach 60-jähriger literarischer Trockenphase sogar wieder Bücher und Fachartikel zu den vergessenen Rohstoffen vom Acker nebenan. Blicken wir über die Landesgrenzen hinaus, so können wir feststellen, dass in den USA, Kanada, Australien, England und Österreich inzwischen Strohballenbauten auch wieder gewerblich errichtet werden.
Aber sehen wir uns nun einmal das Strohballenhaus im Detail an. Stroh besteht im Wesentlichen aus Zellulose, Kieselerde und Lignin. Die Halme an sich weisen eine wachsartige, wasserabweisende Außenschicht auf, welche sie nahezu unempfindlich gegen viele schädliche Einflüsse von Außen macht. Trotz dieser Schutzschicht auf den Halmen ist es jedoch zwingend erforderlich, bei Wandaufbauten aus Strohballen einen diffusionsoffenen und einen zumindest konstruktiven Schlagregenschutz zu erbauen. Durch eine rohrförmige Struktur wird eine hohe Elastizität und Reißfestigkeit erreicht und die in den abgeschlossenen Hohlräumen des Halmes eingeschlossene Luft bewirkt zudem ein hohes Wärmedämmvermögen. Mit einer ballenstarken Wand von ca. 35 cm Dicke erreicht man hierbei schon einen Passivhausstandart, bei welchem U-Werte von 0,17 bis 0,12 W/m²K durchaus möglich sind. Die vorhandene Dichte eines Strohballens von ca. 90 bis 110 kg/m³ sorgt für eine angenehme Schalldämmung, welche im Wandaufbau mit einem Dickschichtputzsystem aus Strohlehm noch verbessert werden kann. Das Brandverhalten des mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (Z-23.11-1595) ausgestatteten Wärmedämmstoffes aus Strohballen wird mit B 2 (F 30) eingestuft und die max. Einbaufeuchte wird mit 15 M-% vorgegeben.
Allgemein kann und wird der Baustoff Strohballen für den Wandaufbau oberhalb der Sockelzone, für die Dämmung der Dachflächen und im Bereich des Fußbodens verwendet. Im Nachfolgenden erläutere ich Ihnen den Wandaufbau, welcher in Deutschland allgemein mit einer Holzständerkonstruktion und dem Ausfachen selbiger mit Strohballen, erbaut und ökologisch sowie wohngesund mit Strohlehm verputzt wird.
Wie aus dem Fachwerksbau bekannt, wird auf die Fundamentierung zunächst ein feuchteresistentes Schwellenholz aus Esche oder Douglasie verbaut, auf welchem dann die eigentliche Fassadenausbildung vollzogen wird. Nach Anordnung der Ständer, Streben und Riegel kann inneneinseitig eine diagonal angeordnete Lattung erstellt werden. Diese Lattung dient zum einen zur zusätzlichen (aber nicht wirklich nötigen) statischen Aussteifung zum anderen kann diese dann auch für spätere Befestigungen von Wandschmuck oder kleineren Wandmöbeln dienen.
Ist diese Lattung auf Geschosshöhe angeordnet, werden die Strohballen in den Wandquerschnitt mit Hilfe eines großen Holzhammers fest verdichtet eingebaut. Dieser verdichtete Einbau ist wichtig, um wirklich den gesamten Querschnitt der Wand lückenlos ausstopfen zu können und um spätere Sackungen auszuschließen.
Nach dem Einbau der Strohballen kann die Wand verputzt werden. Ökologisch und auch baustoffphysikalisch wohl am sinnvollsten wird dies mit einem Strohlehm vollzogen, bei welchem darauf geachtet wird, dass möglichst grobe Strohhäcksel im Lehm vorhanden sind. Die groben Strohhäcksel wirken dem späteren Reißen der Putzfläche entgegen, gleich der Kunstfaserarmierung bei den konventionellen Renovierputzen. Der Einsatz dieser groben Strohhäcksel ist jedoch beim maschinellen Putzauftrag beschränkt, da grobe Strohhäcksel kaum oder gar nicht durch den Mischwendel der gewöhnlichen Putzmaschine laufen und somit entweder das Material sehr ungleichmäßig oder (nach dem Verstopfen) gar nicht beim Spritzkopf austritt. Es wäre daher sinnvoll, den Putz mit einem großen Quirl anzurühren und danach händisch an den Wandaufbau anzuschmeißen. Wichtig hierbei ist, dass der Strohlehm auch wirklich angeschmissen wird und nicht nur aufgezogen. Durch das Anschmeißen wird ein lückenloser Verbund von Strohballenoberfläche und Lehmputz erreicht, was beim Auftragen mit der Traufel nicht gewährleistet werden kann.
Strohlehm Grundputz außen (links) und innen (rechts)
Wie bei allen Lehmputzsystemen wird auch hier in mehreren Schichten/Lagen gearbeitet und über Problemzonen (z.B. eventuellen Materialübergänge) sowie im oberen Drittel des Putzschichtenquerschnitts ein grobmaschiges Armierungsgewebe aus Glasfaser oder Jute eingearbeitet. Auch hier ist das Jutegewebe mit Abstand das ökologischere Produkt, jedoch verlangt der Einsatz dieses Gewebes einen höheren Anspruch an das handwerkliche Geschick. Die Jute neigt dazu, die Feuchtigkeit des Putzes aufzunehmen, was zu einem höheren Gewicht beiträgt und es somit durchaus sein kann, dass das Gewebe mit dem noch nassen Putz darauf wieder abfällt. Um dies zu vermeiden, sollte man zunächst eine möglichst dünne Lehmputzschicht auf das Gewebe auftragen. Am besten funktioniert das aus eigener Erfahrung, wenn man nach dem Aufstreichen des Juttegewebes auf den feuchten Lehmputz nur eine dünnschichtige Lehmschlemme auf das Gewebe aufzieht. Hierbei gilt es flott zu arbeiten und möglichst nur einmal die Traufel über die Schlemme zu ziehen. Ganz wichtig ist beim Verputzen mit Lehm, dass jede Putzlage für sich komplett austrocknet bevor man eine weitere aufbringt. Die auftretenden Risse in den Grundputzlagen sind durchaus erwünscht, denn diese sorgen dafür, dass Oberflächenspannungen von Putzschicht zu Putzschicht minimiert werden. Die wunderbaren Eigenschaften des Lehms, wie beispielsweise das Reinigen der Raumluft (Filterwirkung), die Regulierung der Raumfeuchte, die Absorbtion von Elektrosmog u.a. wird allgemein erst ab einer Gesamtputzstärke von mind. 2 cm (besser mehr) erreicht.
Was den Außenputz mit Lehm betrifft, so muss wie oben schon erwähnt zumindest ein konstruktiver Schlagregenschutz ausgearbeitet werden (z.B. weiter Dachüberstand). Dem Lehmputz an sich wird außen zur letzten Lage ein Zusatz zur Hydrophobierung hinzugegeben. Hierzu laufen aktuell verschiedene Versuche, bei welchen gute Resultate mit z.B. Wasserglas, Kaseinlasuren oder auch Kuhdung als Zusatz gesammelt wurden. Bei geringer Schlagregenbelastung hat sich auch der Zusatz von 2-3% Weizenkleber (Weizenprotein) bewährt. Umgehen kann man dies, indem man auf die Außenbereiche einen hydrophob eingestellten Kalkputz aufträgt.
Fenster- und Türöffnungen werden schon im Holzskelett angeordnet. In den dort eingesetzten Rahmen werden nach kompletter Fertigstellung der Wandflächen Fenster- und Türzargen eingeschoben und verschraubt. Diese an sich sehr alte Technik wurde übrigens in jüngster Zeit von findigen Fensterbauern aus Österreich für den konventionellen, wärmebrückenfreien Hausbau „neu erfunden“. Also auch im Fensterbau geht man zurück zum Ursprung.
Beim Strohballenhaus mit Lehmputzen müssen wir Stuckateure übrigens nicht auf unsere berufsspezifischen künstlerischen Eigenschaften verzichten. Stuckornamente aus Strohlehm oder anderen Materialien auf dem Lehmputz sind nicht nur durchführbar sondern sehen auch noch interessant aus. Es ist entgegen vieler Meinungen auch möglich, mit Lehm Stuckprofile am Zugtisch zu erarbeiten, allerdings muss man hierzu Geduld mitbringen (längere Trocknungsphasen und mehrschichtiger Aufbau nach jeweiliger Austrocknung) und zur Aussteifung sollte in jedem Fall ein Drahtgewebe mit eingelegt werden.
Strohlehm in Form gebracht
Einige Bilder konnten aus rechtlichen Gründen hier nicht publiziert werden. Den Volltext inkl. vieler Konstruktionszeichnungen finden Sie im Buchwerk: „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“ (ISBN: 978-3-8351-0153-1)
Weiterführende Informationen zum Thema Strohballenhaus können Sie auch über den hierfür eingerichteten Fachverband erfragen:
Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V.
Dipl. Ing. Dirk Scharmer
Sieben Linden 1
38486 Bandau
E-Mail: info@fasba.de
Internet: www.fasba.de
Tel.: 04131- 727804
Fax: 04131- 727805
Oder besuchen Sie beim nächsten Aufenthalt in Norddeutschland doch einfach das Ökodorf Sieben Linden. Hier werden auch Seminare zum Thema angeboten und was sicherlich für unseren Nachwuchs recht interessant ist, junge Menschen können dort ein sogenanntes Ökologisches Jahr absolvieren und neben einigen anderen Dingen auch in praktischer Mitarbeit lernen, wie man ein Haus aus Stroh und Lehm baut.
Freundeskreis Ökodorf e.V.
Ökodorf Sieben Linden
38486 Poppau
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