Stroh, also die gedroschenen Stängel und Halme von Getreidepflanzen, ist heute im Bauwesen und der Industrie, vor allem im Strohballenbau sichtbar. In anderen Bereichen sieht man es kaum, obgleich es unheimliche viele Möglichkeiten gäbe, Stroh für wesentlich mehr Dinge zu nutzen.
Einen sehr guten Anfang machte z.B. die Firmengruppe Strawtec Group AG. Sie ist mit viel Fleiß und Know-how dabei, die seit fast 100 Jahren bekannte Strohbauplatte wieder bautechnisch perfekt nutzbar in den Markt, bzw. in die Trockenbautechnik, zu bringen. Fast 100 Jahre, Sie haben richtig gelesen. Denn schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts presste man in England Bauplatten aus Stroh, um damit Innenwände erstellen zu können. Nach dem 2. Weltkrieg wurden in England beispielsweise auch einige der Kriegsschäden an Gebäuden mit Strohbauplatten saniert. Nach ein paar Jahren des „Vergessens“, aufgrund der Entwicklung so manch synthetischer Stoffe, vor allem aber auch der heute im Trockenbau so bekannten Gipskartonbauplatte, begann der deutsch-amerikanische Architekt Marcel Breuer (1902-1982) die Strohbauplatten wieder mehr in das Bauwesen einzubeziehen. Breuer selbst galt und gilt auch heute noch als einer der Denker und „Vorkämpfer“ der Nachkriegszeit in Bezug auf Baustoffe aus der Natur. Er war aber nicht nur in diesem Bereich tätig und bekannt, auch als Gestalter und Erfinder machte er sich unter Designern einen unvergesslichen Namen. Wer hat nicht schon auf einen dieser Stühle gesessen, die keine Hinterbeine haben, sondern nur eine Art Bügel. Ich denke so gut wie jeder wippte schon auf den Stühlen, die auch als „Freischwinger“ betitelt wurden und werden. Noch heute gibt es kaum ein Möbelhaus, das Stühle dieser Art nicht im Programm hat. Breuer war auch derjenige Architekt, der zum Beispiel die Innenwände des UN-Gebäudes in Paris aus Strohbauplatten plante und erstellen ließ. Wände, die natürlich auch heute noch stehen, Räume die nach wie vor fleißig genutzt werden.
In Deutschland sind Strohbauplatten im Grunde erst seit ungefähr 15 Jahren bekannt. Kaum sichtbar und nur sehr wenige haben bis dato damit gearbeitet. Die Gründe hierin liegen darin, dass die Produktionsstätten der Platten nicht in Deutschland, sondern vor allem in Frankreich zu finden sind und in Deutschland selbst nur Vertriebspartner saßen, deren Marketing nicht gerade als „durchschlagend“ zu bezeichnen war. Eine Firmengruppe hat dies im Jahr 2010 erkannt und schloss Produzenten und Vertriebsunternehmen zu einer Gruppe zusammen, womit nicht nur die Kompetenzen gebündelt wurden, sondern scheinbar auch ein wesentlich auffälligeres Marketing geschaffen werden sollte. Dem Handwerker und Planer, aber auch dem fleißigen Heimwerker, stehen somit nun auch kompetente Fachleute und vor allem auch umfangreiche Unterlagen zu Verfügung, die die Anwendung der Strohbauplatten im Trockenbau, aber auch für Maßnahmen zur Innendämmung, sehr einfach machen. Im Grunde darf man schreiben, dass so eine Trockenbauwand aus dem Stroh des Weizens sogar einfacher und in den Gesamtkosten um einiges günstiger ist, als selbige Bauweise mit den weit mehr bekannten Gipskartonbauplatten. Ein Grund hierfür ist der Fakt, dass man bei Wänden aus den Strohbauplatten kein aufwendig erstelltes Ständerwerk aus Holz oder Metall benötigt. Womit nicht nur viele Arbeitsschritte, sondern eben auch damit verbunden viel Arbeitszeit eingespart wird.
Spezialwerkzeuge sind obsolet und die Einsatzbereiche reichen als F90 Fertigwandelement von der Wohnungstrennwand über normale Innenwände, bis hin zu Brandschutzwänden und dem bereits genannten Einsatz zu Innendämmung. Allerdings sollte, wie bei vielen Baustoffen, die Lagerung der Platten im Trockenen geschehen. Wie Eigenversuche mit Handmuster zeigten, kann es sein, dass angeschnittene Platten während längerer Lagerung bereits bei geringer Luftfeuchtigkeit zu quellen beginnen und somit Maß und Festigkeit verlieren, ergo unbrauchbar werden. Dieses Quellen ist auch ein zu beachtender Faktor bei der Bearbeitung der Oberflächen. Der Hersteller gibt zwar vor, dass die Platten mit Putzen und gar Lehmputzen überarbeitbar sind, nachdem die Stöße verspachtelt wurden, aber hier sei zu erwähnen, dass diese Putzschichten nicht zu dick aufgetragen werden sollten. Ein Lehmputz in einer Putzschichtdicke von mind. 3 cm, ergo einer Dicke, die all die Vorteile mit sich bringt (siehe div. Schriften von Gernot Minke), die Lehmputze leisten können, ist auf solchen Platten problematisch. Für Menschen wie mich, die immer einen besonderen Blick auf die baustoffliche Zusammensetzung und die umweltfreundliche Entsorgungsmöglichkeit werfen, ist neben dem breiten Einsatzspektrum auch interessant zu wissen, dass wir es hierbei mit einem Baustoff zu tun haben, der nach Herstellerangaben zu 100 % recyclebar und biologisch abbaubar ist.
Stroh selbst ist aber noch in wesentlich mehr Einsatzbereichen sehr gut nutzbar. Gerade in Zeiten, in denen der Baustoff Holz so vielseitig genutzt wird, dass manch Forstbetrieb und Industriegemeinschaft schon von angehendem Holzmangel und steigenden Preisen berichtet, wäre der vermehrte Einsatz von Stroh in der Industrie ein Ansatzpunkt, der sicher nicht vollkommen, aber zumindest ein kleines bisschen Entlastung schaffen könnte. Ein Beispiel ist die Papierherstellung.
So wurde schon vor dem ersten Weltkrieg darüber berichtet, dass das Stroh des heimischen Getreides, besonders das des Roggens (Secale cereale), aber auch das des Weizens, des Hafers und der Gerste, in der Papierproduktion eine sehr wichtige Rolle einnahm und zu jener Zeit in diesem Bereich die Strohpapierindustrie sogar als blühend beschrieben wurde. Die bedeutendsten Strohpapierfabrikationen waren hier vor allem in England, Frankreich, Belgien und Deutschland. In Mitteleuropa gab es schon im 18. Jhd. erfolgreich angewandte Papierherstellungsverfahren aus Maisstroh und anderen Stroharten, so gab es zum Beispiel in Österreich, in der Nähe von Wien, eine Produktion die Schreib-, Zeichen- und Pauspapier aus den Kolbenblättern des Mais herstellte. Dort relativ schnell wieder aufgegeben, wurde das Verfahren in den USA weiter genutzt. Wobei die Papierherstellung aus Stroh weltweit betrachtet noch viel älter ist. Zwischen 110 und 120 n.Chr. gab es schon in China eine Papierindustrie die Papier aus Reisstroh herstellte. Aus Seidenabfällen und dem Bast des Maulbeerbaumes hat der chinesische Ackerbauminister Tsai-Lun ca. 105 n.Chr. ein Verfahren zu Papierherstellung entwickelt.
Neben all diesem wurde zum Ende des 19. Jhd auch sehr viel von spinnbaren Fasern für Stricke und groben Geweben, beispielsweise zur Herstellung von Säcken aus Stroh, berichtet. Man sprach von einem wertvollen Juteersatz. Selbst als Füllmaterial für Filze ist das Stroh aus heimischen Getreidearten brauchbar.
Wie Sie sehen, Stroh ist nicht nur Restprodukt der Landwirtschaft und nur zum Auflockern und Düngen des Ackerbodens gut, es könnte auch viel mehr Nutzen für den Menschen bringen und andere pflanzliche Rohstoffressourcen, ja selbst fossile Rohstoffressourcen, ersetzen oder zumindest in Teilbereichen entlasten.
Mehr zu Stroh aus den unterschiedlichsten Getreidearten finden Sie selbstverständlich im Sachbuch „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“.
Sie können das Buch in jedem Buchhandel oder auch direkt beim Springer Vieweg Verlag beziehen, siehe:
http://www.springer-vieweg.de/Buch/978-3-8348-1321-3/Natuerliche-und-pflanzliche-Baustoffe.html
Für Fragen rund um Baustoffe aus Pflanzenrohstoffen, Sanier- und Neubauberatungen und selbstverständlich auch Schadensfälle und andere Baustoffe von Wärmedämmstoffen, über Estriche bis hin zu Putzen und einigem mehr, stehe ich Ihnen gerne persönlich zur Verfügung. Rufen Sie hierzu einfach an und lassen Sie uns einen Termin vereinbaren.
Dieser Text wurde bereits am 11. März 2012 erstellt