Oftmals hört man in den unterschiedlichen Streitigkeiten zu Schadensregulierungen oder zur Beweiserbringung, dass nur öffentlich bestellte Sachverständige und deren Gutachten vor Gericht nutzbar sind. Ebenso häufig versuchen manche Versicherungen Ihnen als Geschädigten vorzuschreiben, dass nur Partnerfirmen Ihren Schaden bearbeiten bzw. beheben können und zur Begutachtung vorab nur der von der Versicherung gesendete Gutachter, der häufig ein Angestellter der Versicherung ist, ergo parteiisch im Sinne der Versicherung urteilt, genutzt werden darf. Um es kurz zu fassen und ohne Berücksichtigung von so manch speziell formuliertem Versicherungsvertrag: Das ist alles hanebüchener Quatsch und mittlerweile bereits mehrfach von den höchsten Gerichten im Land widerlegt.
Die Versicherungen sind allgemein verpflichtet Ihnen bei der Wahl des Sachverständigen freie Hand zu lassen, selbst Deutsche Gerichte müssen nach diversen BGH Entscheidungen Privatgutachten berücksichtigen (als Privatgutachten bezeichnet man JEDES Gutachten, das nicht direkt vom Gericht beauftragt wurde, unabhängig vom Titel des Ausstellers).
Sie sind nach einem Schaden berechtigt, den Sachverständigen wie auch das Unternehmen zur Schadensregulierung frei zu wählen, auch dann, wenn es sich um einen Versicherungsschaden handelt. Siehe z. B. das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.01.2007 mit dem Aktenzeichen VI ZR 67/06.
Zitat des vorgenannten Urteils:
„…..Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen…..“
Auch die immer wieder zu hörende Falschaussage, dass nur Gutachten von öffentlich bestellten Kollegen Gültigkeit vor Gericht besitzen ist eine alte Mär, der in der Rechtsprechung und der hierfür gängigen Literatur schon vielfach widersprochen wurde. In der Praxis ziehen gar immer mehr Amts- und Landgerichte Privatgutachter in Verhandlungen ein. So hat auch das Sachverständigenbüro Holzmann-Bauberatung® bereits vor „öffentlicher Bestellung und Vereidigung“ immer wieder Gutachteraufträge direkt von Amts- und Landgerichten zu bearbeiten.
Somit ist auch die immer wieder zu hörende Frage: „Sind freie Gutachter vor Gericht zugelassen?“ deutlichst mit einem „Ja“ zu beantworten.
Beispiele hierzu wären:
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. und 3. Aufl., 20. Teil „Praktische Hinweise für Richter“, Rd. 5.ff – 4. Aufl. 18. Teil „Schlüssigkeit und Substantiierung im Bauprozess“ Rd. 5ff:
„…Die Anforderungen an die Schlüssigkeit und Erheblichkeit eines Parteivortrages dürfen nicht überspannt werden. Gerade im Bauprozess sind übertriebene Anforderungen häufig zu beobachten. Auch die Schwierigkeiten eines Bauprozesses rechtfertigen keinen Maßstab, der den Parteien letztlich einen Zugang zum Gericht und einen fairen Prozess versagt. Insbesondere dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Darlegung von Einzelheiten eines Sachvortrages gestellt werden. Dagegen wird häufig mit der Begründung verstoßen, ohne nähere Angaben sei der Sachvortrag unsubstantiiert. Nach der Rechtsprechung ist ein Sachvortrag erheblich, wenn der Betroffene Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen. Es ist grundsätzlich unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung von Indizien beruht (vgl. BGH Urt. v. 8.5.1992, AZ: V ZR 95/91)…..
……Ausreichend ist die Bezugnahme auf ein Privatgutachten, das als qualifizierter Parteivortrag zu werten ist (vgl. BGH Urt. v. 18.9.1997, AZ: VII ZR 300/96). Es reicht in der Mängelrüge die bezugnahme auf Baustellenrapporte aus, in denen die Mängelerscheinung hinreichend genau beschrieben ist, z. B. Durchfeuchtungen im Keller, mangelhafte Abdichtung, Putzschäden…“
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier bereits mehrere sehr eindeutige Rechtsprechungen getroffen, siehe z. B.:
BGH, Beschluss vom 12.01.2011 – IV ZR 190/08, IBR 2011, 284:
- „…Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären…“
BGH, Beschluss vom 18.05.2009 – IV ZR 57/08, IBR 2009, 489
BauR 2009, 1342; NJW-RR 2009, 1192; NZV 2009, 490; VersR 2009, 975
„…Das von einer Partei auf ein gerichtlich eingeholtes Gutachten vorgelegte entgegenstehende Privatgutachten muss der Richter erkennbar verwerten. Dieses Privatgutachten kann den Richter veranlassen, von Amts wegen weiteren Beweis zu erheben…“
BGH-Beschluss vom 6. April 2016, Az. VII ZR 16/15:
„…. Das Gericht verstößt jedoch gegen das Recht einer Partei auf rechtliches Gehör, wenn es im Urteil nicht zu erkennen gibt, dass es den Streit zwischen dem gerichtlichen Sachverständigen und dem von der Partei beauftragten Privatgutachter sorgfältig und kritisch gewürdigt und die Streitpunkte zumindest mit dem gerichtlichen Sachverständigen erörtert hat. Das Gericht muss mit einleuchtender und logisch nachvollziehbarer Begründung einer der Auffassungen den Vorzug geben. Die Entscheidungsgründe müssen zudem erkennen lassen, dass eine Auseinandersetzung mit den Einwendungen stattgefunden hat, die sich aus dem Privatgutachten ergeben….. „
Als jemand, der einen Gutachter für etwaige Arbeiten benötigt, haben Sie also freie Hand in der Wahl des Sachverständigen. Selbst dann, wenn der Streit vor Gericht ausgetragen wird. Aussagen der Gegenseite wie z. B.: Das Gutachten gilt nicht, da es nicht von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen kommt, sind demnach völlig irrelvant und zeugen nur von wenig Wissen.
Die ZPO gibt hierzu in § 404 (Sachverständigenauswahl) Folgendes vor:
(1) 1 Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht. 2 Es kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. 3 An Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen kann es andere ernennen.
(2) Vor der Ernennung können die Parteien zur Person des Sachverständigen gehört werden.
(3) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.
(4) Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.
(5) Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken.
Das oftmals zu hörende/lesende, pauschale Ablehnen eines Gutachtens mit den Worten: „Das Gutachten ist unbrauchbar“ könnte dem Autoren dieser Negation im schlechtesten Fall und je nach Zusammenhang und Ursprung sogar eine Strafanzeige aus Richtung des Sachverständigen einbringen. Hier sollte der Sender sehr genau nachdenken, ob er solch ein Risiko eingehen möchte.
Anzuraten wäre bei der Gutachterwahl letztendlich nur, dass Sie auf die Kompetenz des Sachverständigen achten, denn wie überall in der Welt, gibt es auch hier dunkelschwarze Schafe, die den Beruf des Sachverständigen weniger genau nehmen oder überhaupt nicht über die erforderlichen speziellen Kenntnisse und Eignung verfügen. Ein seriöser Sachverständiger ist grundsätzlich absolut neutral und unparteiisch. Das heißt mitunter, dass ein solcher außer seiner Arbeit als Sachverständiger keine anderen Geschäfte macht, er Ihnen keine Produkte verkauft und auch keine Bauleistungen anbietet. Tut er dies, so handelt er nicht als unabhängiger Sachverständiger sondern nutzt dies vielmehr als Vorwand, um Ihnen irgendetwas zu verkaufen. Auch Empfehlungen zu ausführenden Handwerksunternehmen gehören nicht zu den Aufgaben eines Sachverständigen, denn auch hier besteht die Gefahr der Befangenheit, indem er vielleicht Vergütungen für die Empfehlung annimmt.
Ergo wählen Sie frei, aber dennoch bewusst.