Eine der umfangreichsten Streitpunkte im Bauwesen sind Oberflächen von beschichteten Bauteilen und Grund hierfür ist häufig, dass der eine viel zu viel verspricht (Handwerker) und der andere (Bauherr) viel zu viel erwartet. Liegen Verstöße gegen die DIN 18202 (Toleranzen im Hochbau) vor, so ist die Situation zumindest zur Beurteilung einer Mangelhaftigkeit relativ einfach, sofern man weiß, wie man die DIN nutzt und deren Toleranzvorgaben am Objekt messen muss. Liegen hiergegen jedoch keine Verstöße vor und wird zur Qualität einer Oberfläche auch keinerlei Beschaffenheitsvereinbarung vertraglich festgelegt, dann kann es kompliziert werden.
Ist nichts festgelegt, so darf man davon ausgehen, dass eine durchschnittliche Oberflächenqualität vereinbart ist. Diese durchschnittliche Putzoberfläche entspricht dann der Oberflächenqualitätsstufe 2. Das klingt zunächst reguliert und damit einfach zu beurteilen, ist es aber nicht ganz. Insbesondere bei der Beurteilung von Putzoberflächen können subjektive Eindrücke entstehen, die eine objektive Beurteilung erschweren oder gar völlig ausschließen. Die Qualitätsstufen selbst sind derart vernebelt in den Übergängen zur schlechteren oder besseren Qualitätsstufe, dass rein hiernach eine Beurteilung in so manchen Fällen recht schwer fällt.
Nach dem Bundesverband der Gipsindustrie e. V. werden die Putzoberflächen im Innenbereich nach folgenden 4 Qualitätsstufen (Q1, Q2, Q3, Q4) beurteilt:
Qualitätsstufe Q1
Qualitätsstufe Q1 Geglättet:
Für Oberflächen von Putzen, an die keine Anforderungen (z. B. Optik, Ebenheit, Putzdicke) gestellt werden, ist eine geschlossene Putzfläche ausreichend. Mit diesem Putz kann eine luftdichte Schicht auf dem Mauerwerk erreicht werden. Bei solchen Ausführungen sind Bearbeitungsspuren sichtbar. Schwindrisse oder Fugeneinfall sind nicht auszuschließen.
Qualitätsstufe Q1 Abgezogen:
Für Oberflächen von Putzen, an die keine Anforderungen (z. B. Optik, Ebenheit, Putzdicke) gestellt werden, ist eine geschlossene Putzfläche ausreichend. Mit diesem Putz kann eine luftdichte Schicht auf dem Mauerwerk erreicht werden.
Bei solchen Ausführungen sind Bearbeitungsspuren sichtbar. Schwindrisse oder Fugeneinfall sind nicht auszuschließen.
Qualitätsstufe Q1 Gefilzt/Abgerieben:
Für Oberflächen von Putzen, an die keine Anforderungen (z. B. Optik, Ebenheit, Putzdicke) gestellt werden, ist eine geschlossene Putzfläche ausreichend. Mit diesem Putz kann eine luftdichte Schicht auf dem Mauerwerk erreicht werden.
Bei solchen Ausführungen sind Bearbeitungsspuren sichtbar. Schwindrisse oder Fugeneinfall sind nicht auszuschließen.
Qualitätsstufe Q2
Qualitätsstufe Q2 Geglättet:
Diese Oberfläche entspricht der Standardqualität und genügt den üblichen Anforderungen an Wand- und Deckenflächen.
Putzoberflächen der Qualitätsstufe Q 2 – geglättet sind geeignet für:
- Oberputze, Körnung > 1,0 mm
- mittel- bis grobstrukturierte Wandbekleidungen,
z. B. Raufasertapeten mit Körnung
- matte, gefüllte Anstriche/Beschichtungen (z. B. quarzgefüllte Dispersionsbeschichtungen), die mit langfloriger Farbrolle oder mit Strukturrolle aufgetragen werden
- etc.
Bei geglätteten Putzoberflächen ist zu beachten, dass mit mittel- bis grobstrukturierten Wandbekleidungen, sowie Oberputzen > 1,0 mm einzelne Untergrundunregelmäßigkeiten optisch besser egalisiert werden können, als mit einer gefüllten Beschichtung, die mit langfloriger Farbrolle (Lammfellrolle) oder mit einer Strukturrolle aufgetragen wird.
Wird die Qualitätsstufe 2 (Q 2 – geglättet) gewählt, sind vereinzelte Abzeichnungen, wie z. B. Traufelstriche, nicht auszuschließen. Schattenfreiheit bei Streiflicht kann nicht erreicht werden. Einlagig geglättete Putze werden vorzugsweise als Gipsputze oder gipshaltige Putze ausgeführt. Ein standardmäßig geglätteter Gipsputz wird wie folgt ausgeführt:
Nach dem Putzauftrag erfolgt das Abziehen und das Ausrichten des Putzes. Zusätzlich erfolgt das Filzen des Putzes; die so aufgeschlämmte Fläche wird anschließend geglättet.
Auf einen rau abgezogenen, abgebundenen Unterputz aus Gips-, Gipskalk-, Kalkgips-, Kalk- oder Kalkzementputz kann, ggf. nach Vorbehandlung, zum Glätten eine geeignete Putzglätte oder Spachtelmasse aufgetragen werden.
Qualitätsstufe Q2 Abgezogen:
Für Oberflächen von Putzen/Unterputzen, an die keine optischen Anforderungen, aber Standardanforderungen an die Ebenheit gestellt und vertraglich vereinbart werden, ist ein abgezogener Putz ausreichend.
Diese Oberfläche ist geeignet z. B. für:
- Oberputze2, Körnung ≥ 2,0 mm
- Wandbeläge aus Keramik, Natur- und Betonwerkstein, etc.
Eine abgezogene Putzoberfläche wird nach dem Putzauftrag durch Abziehen (Schneiden) und Ausrichten des Putzes erreicht. Als Untergrund für Fliesen-, Natursteinbeläge u. a. darf die Oberfläche nicht gefilzt oder geglättet werden.
Qualitätsstufe Q2 Gefilzt:
Diese Oberfläche entspricht der Standardqualität und genügt den üblichen Anforderungen an Wand- und Deckenflächen.
Gefilzte Putzoberflächen der Qualitätsstufe 2 sind geeignet z. B. für:
- matte, gefüllte Anstriche/Beschichtungen.
Gefilzte Putzoberflächen der Qualitätsstufe 2
sind auch geeignet für:
- grob strukturierte Wandbekleidungen, z. B. Raufasertapeten mit Körnung.
Einlagig, gefilzter Putz (Gipskalk-, Kalkgips-, Kalkzement- oder Zementputz) wird wie folgt ausgeführt:
Nach dem Putzauftrag, dem Abziehen, sowie dem Ausrichten des Putzes, erfolgt das Filzen (z. B. mit Filzbrett).
Bei dieser Qualitätsstufe sind Abzeichnungen, wie z. B. strukturlose Stellen, Bearbeitungsspuren, kleinere Unebenheiten, Kornanhäufungen nicht auszuschließen. Schattenfreiheit bei Streiflicht kann nicht erreicht werden.
Unterschiedliche Putzstrukturen sind trotz Grundierungen oder Aufbrennsperren nicht zu vermeiden. Bei einlagigen Putzen sind Schwindrisse oder Fugeneinfall hinzunehmen. Ungestrichene gefilzte Putze sanden leicht ab. Dies kann durch eine Beschichtung vermieden werden.
Qualitätsstufe Q2 Abgerieben:
Diese Oberfläche entspricht der Standardqualität und genügt den üblichen Anforderungen an Wand- und Deckenflachen.
Abgeriebene Putzoberflächen der Qualitätsstufe 2 sind geeignet z. B. für:
- matte, gefüllte Anstriche/Beschichtungen.
Abgeriebene Putzoberflächen der Qualitätsstufe 2 können auch geeignet sein für:
- grobstrukturierte Wandbekleidungen, z. B. Raufasertapeten
mit Körnung.
Einlagig abgeriebener Putz (Kalk- und Kalk-Zementputz) wird wie folgt ausgeführt:
Nach dem Putzauftrag, dem Abziehen, sowie dem Ausrichten des Putzes, erfolgt das Abreiben (z. B. mit Reibebrett).
Bei dieser Qualitätsstufe sind Abzeichnungen, wie z. B. strukturlose Stellen, Bearbeitungsspuren, kleinere Unebenheiten, Kornanhäufungen nicht auszuschließen. Schattenfreiheit bei Streiflicht kann nicht erreicht werden.
Unterschiedliche Putzstrukturen sind trotz Grundierungen oder Aufbrennsperren nicht zu vermeiden. Bei einlagigen Putzen, sind Schwindrisse oder Fugeneinfall hinzunehmen. Ungestrichene abgeriebene Putze sanden leicht ab. Dies kann durch eine Beschichtung vermieden werden.
Qualitätsstufe Q3
Qualitätsstufe Q3 Geglättet:
Die Qualitätsstufe 3 beinhaltet alle Ausführungen der Qualitätsstufe 2. Zusätzlich wird in einem weiteren Arbeitsgang die Putzoberfläche entweder mit einem Glättgang oder mit einem Glättputzauftrag überarbeitet.
Putzoberflächen der Qualitätsstufe Q3 – geglättet sind geeignet für:
- Oberputze, Körnung ≤ 1,0 mm
- fein strukturierte Wandbekleidungen, z. B. Vlies, Raufasertapeten mit Körnung, matte, fein strukturierte Anstriche/Beschichtungen
- etc.
Bearbeitungsspuren, wie z. B. Traufelstriche, werden weitgehend vermieden. Auch bei der Qualitätsstufe 3 sind bei Streiflicht sichtbar werdende Abzeichnungen und Schattenbildung nicht auszuschließen. Grad und Umfang solcher Abzeichnungen sind gegenüber dem Standard (Q2–geglättet) geringer.
Qualitätsstufe Q3 Abgezogen:
Für Oberflächen von Putzen/Unterputzen, an die keine optischen, aber erhöhte Anforderungen an die Ebenheit gestellt und vertraglich vereinbart werden, ist ein eben abgezogener Putz notwendig.
Zur Erzielung erhöhter Anforderungen an die Ebenheit sind Unterputzprofile oder Putzleisten einzusetzen. Das Anbringen von Unterputzprofilen oder Putzleisten, ist eine besonders zu vergütende Leistung.
Putzoberflächen der Qualitatsstufe 3 – abgezogen sind z. B. geeignet für:
- Oberputze, Körnung3 > 1,0 mm
- Wandbeläge aus Feinkeramik, großformatigen Fliesen,
- Glas, Naturwerkstein, etc.
- Als Untergrund für Fliesen-, Natursteinbeläge u.ä., darf die Oberfläche nicht gefilzt oder geglättet werden.
Qualitätsstufe Q3 Gefilzt:
Diese Oberfläche entspricht einer höheren Anforderung, als die Standardqualität Q2 – gefilzt.
Filzputz (Gipskalkputz, Kalkgipsputz, Kalkputz, Kalk- Zementputz oder Zementputz) wird wie folgt ausgeführt: Nach dem Putzauftrag erfolgt das Ausrichten des Putzes. Die Oberflächenstrukturierung erfolgt üblicherweise durch Vor- und Nachfilzen. Dabei sind Kalkputze, Kalk-Zementputze oder Zementputze zweilagig auszuführen.
Wird die Qualitätsstufe 3 gewählt, muss die Filzstruktur im jeweiligen Strukturbild gleichmäßig sein. Kornanhäufungen oder strukturlose Stellen sind nur vereinzelt zulässig. Der Gesamteindruck des Strukturbildes darf nicht gestört sein. Schattenbildung bei Streiflicht ist bei dieser Ausführung hinzunehmen.
Putzoberflächen der Qualitätsstufe 3 sind geeignet z. B. für:
- matte, nicht strukturierte/nicht gefüllte Anstriche/Beschichtungen.
Qualitätsstufe Q3 Abgerieben:
Diese Oberfläche entspricht einer höheren Anforderung, als die Standardqualität Q2 – abgerieben.
Abgeriebener Putz (Kalk- und Kalk-Zementputz) wird wie folgt ausgeführt:
Auf den vorhandenen abgezogenen Unterputz wird der abzureibende Putz aufgetragen. Die Oberflächenstrukturierung erfolgt üblicherweise durch Vor- und Nachreiben.
Wird die Qualitätsstufe 3 gewählt, muss die Abriebstruktur im jeweiligen Strukturbild gleichmäßig sein. Kornanhäufungen oder strukturlose Stellen sind nur vereinzelt zulässig. Der Gesamteindruck des Strukturbildes darf nicht gestört sein. Schattenbildung bei Streiflicht ist bei dieser Ausführung hinzunehmen.
Putzoberflächen der Qualitätsstufe 3 sind geeignet z. B. für: · matte, nicht strukturierte/nicht gefüllte Anstriche/Beschichtungen.
Qualitätsstufe Q4
Qualitätsstufe Q4 Geglättet:
Die Qualitätsstufe 4 beinhaltet alle Ausführungen der Qualitätsstufe 3, sowie zusätzlich ein vollflächiges Überarbeiten der Oberfläche mit einem geeigneten Spachtel- oder Glättputzmaterial.
Der Putz muss erhöhten Anforderungen an die Ebenheit entsprechen.
Wenn ein abgezogener Unterputz der Qualitätsstufe Q3 vorhanden ist, sind die Unterputzprofile nach dem Auftrag des Unterputzes zu entfernen und die Fehlstellen zu schließen. Alternativ kann auf den Flächen mit verbleibenden Unterputzprofilen auch eine vollflächige Spachtel- oder Glättputzlage mit z. B. Vlies aufgebracht werden.
Putzoberflächen der Qualitätsstufe Q4 – geglättet, sind geeignet für glatte Wandbekleidungen und Beschichtungen mit Glanz, z. B.:
- Metall-, Vinyl- oder Seidentapeten
- Lasuren oder Anstriche/Beschichtungen bis zum mittleren Glanz
- Spachtel- und Glättetechniken
- etc.
Eine Oberflächenbehandlung der Qualitätsstufe 4, die sehr hohe Anforderungen erfüllt, minimiert die Möglichkeit von Abzeichnungen.
Grundsätzlich wird eine Putzoberfläche von der Belichtung (Tageslicht, künstl. Beleuchtung, Leuchtmittel) beeinflusst. Absolute Schattenfreiheit bei Streiflicht kann nicht erreicht werden.
Die Belichtungs- und Beleuchtungsverhältnisse, wie sie bei der späteren Nutzung vorgesehen sind, müssen bekannt sein. Zweckmäßigerweise sollen sie bereits zum Verputzzeitpunkt imitiert werden.
In Einzelfällen kann es erforderlich sein, dass in Verbindung mit Beschichtungs- und Klebearbeiten weitere Maßnahmen (z. B. mehrmaliges Spachteln und Schleifen) zur Vorbereitung der Oberfläche für die Schlussbeschichtung notwendig sind, z. B. für glänzende Beschichtungen, wie Lackierungen oder auch Lacktapeten etc.
In diesen Einzelfällen wird empfohlen, die über Q3 hinausgehende Schlusslage von dem Fachunternehmer aufbringen zu lassen, der die Endbeschichtung aufbringt.
Qualitätsstufe Q4 Gefilzt:
Filzputze der Qualitätsstufe 4 können sowohl auf geglätteten (mit Haftvermittler), als auch eben abgezogenen Unterputzen der Qualitätsstufe Q 3 ausgeführt werden.
Der vorhandene Unterputz muss erhöhte Anforderungen an die Ebenheit erfüllen.
Das Strukturbild entspricht der Anforderung der Qualitätsstufe Q3 – gefilzt.
Grundsätzlich wird eine Putzoberfläche von der Belichtung (Tageslicht, künstliche Beleuchtung, Leuchtmittel) beeinflusst. Absolute Schattenfreiheit bei Streiflicht kann nicht erreicht werden.
Die Belichtungs- und Beleuchtungsverhältnisse, wie sie bei der späteren Nutzung vorgesehen sind, müssen bekannt sein. Zweckmäßigerweise sollen sie bereits zum Verputzzeitpunkt imitiert werden.
Qualitätsstufe Q4 Abgerieben:
Abgeriebene Putze der Qualitätsstufe 4 können sowohl auf geglätteten (mit Haftvermittler), als auch eben abgezogenen Unterputzen der Qualitätsstufe Q3 ausgeführt werden.
Die Qualitätsstufe 4 entspricht höchsten Anforderungen an die geriebene Putzoberfläche und ist nur durch zusätzliche, über Q3 hinausgehende, Maßnahmen zu erreichen.
Qualitätsstufe 4 – abgerieben wird wie folgt: Auftragen, eben verziehen und antrocknen lassen einer Oberputzschicht in Kornstärke auf den vorhandenen abgezogen oder geglätteten Unterputz Q3. Anschließend zweite Oberputzschicht auftragen und das angezogene Material abreiben. Hierbei können Oberputze mit Körnungen ≤ 1,0 mm verwendet werden.
Der vorhandene Unterputz muss erhöhte Anforderungen an die Ebenheit erfüllen. Wird die Qualitätsstufe 4 gewählt, muss das geriebene Strukturbild gleichmäßig sein.
Putzoberflächen der Qualitätsstufe Q4 – abgerieben, sind z. B. geeignet für:
- Lasuren oder Anstriche/Beschichtungen bis zum mittleren Glanz
Grundsätzlich wird eine Putzoberfläche von der Belichtung (Tageslicht, künstliche Beleuchtung, Leuchtmittel) beeinflusst. Absolute Schattenfreiheit bei Streiflicht kann nicht erreicht werden.
Die Belichtungs- und Beleuchtungsverhältnisse, wie sie bei der späteren Nutzung vorgesehen sind, müssen bekannt sein. Zweckmäßigerweise sollen sie bereits zum Verputzzeitpunkt imitiert werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Beurteilung von Putzoberflächen wäre, sich an die Oswald’sche Vorgehensweise zu halten, was von vielen Kollegen gerne und häufig praktiziert wird. Oswald selbst hat zu Lebzeiten hierzu eine ganze Reihe von Publikationen herausgebracht, deren Zusammenfassung hier sicherlich den Rahmen des Lesbaren sprengen würde. Grundsätzlich und grob zusammengefasst geht es aber darum, die Grundsätzlichkeit der Beurteilung optischer Unregelmäßigkeiten zu definieren.
Vorab – und das gilt im Übrigen grundsätzlich bei Beurteilungen von optischen Mängeln – gilt es hierzu die gebrauchsüblichen Bedingungen zu eruieren. Das heißt nichts anderes, als dass zunächst die nutzertypische Betrachtung festgestellt wird. Hierzu zählt der nutzertypischen Betrachtungswinkel und Betrachtungsabstand bei den zur Nutzung selbst vorhandenen Bedingungen. Das kann der Blick sitzend von dem Toilettensitz aus in den Raum sein, der Blick von der Sitzgruppe der Terrasse auf eine beleuchtete Fassade oder auch der ganz lapidare Blick vom Gehweg auf das entsprechende Objekt und Ähnliches. Was hier deutlich negativ absticht und/oder störend wirkt, könnte Grund zur Beanstandung sein.
Oswald selbst ist aber noch einen Schritt weiter gegangen, um eine möglichst aussagekräftige Beurteilung zu erhalten. Er erstellte eine Bewertungsmatrix, zu der eine Gewichtung des optischen Erscheinungsbildes, wie auch der Grad der optischen Beeinträchtigung, beurteilt wird, um damit die Hinnehmbarkeit von optischen Mängeln einzuteilen und damit auch möglichst objektiv beurteilen zu können. Oswald selbst betont aber in all seinen Werken, dass bei der Benutzung dieser Matrix zu beachten ist, dass sie nur helfen soll festzulegen, wann überhaupt eine Minderung o. Ä. diskutiert werden kann.
Er beschreibt weiter, dass, wenn die Nacherfüllung nicht „unverhältnismäßig aufwendig“ ist, auch kleinere, als hinnehmbar zu beurteilende Mängel beseitigt werden müssen. Dieser Satz ist für den Sachverständigen, wie auch für die womöglich im Streit stehenden Parteien, mit Vorsicht zu genießen. Unverhältnismäßigkeit hat der Sachverständige nicht wirklich zu beurteilen, das ist in aller Regel Aufgabe eines Richters. Für den Auftragnehmer wird, sofern er uneinsichtig ist, grundsätzlich jegliche Nachbesserung „unverhältnismäßig“ sein. Und der Auftraggeber, naja, für den gibt es seltenst eine Verhältnismäßigkeit, wenn er eine Leistung versprochen bekam und nach dem Bezahlen selbiger Dinge auffindet, die ihm gar nicht gefallen.
Wird vom Auftragnehmer die Unverhältnismäßigkeit angezeigt und eine vermeintlich günstige Mangelbeseitigung angeboten, die womöglich weitere optische Mängel mit sich zieht, so kontern Fachanwälte gerne mit der Unzumutbarkeit einer Billigreparatur, wozu es einige BGH-Urteile gibt. Ob das Erfolg hat, zeigt sich jedoch zumeist erst dann, wenn ein Richter sein Urteil gesprochen hat.
Eine, wie ich finde, recht gute Darstellung zur Beurteilung von optischen Mängeln bei Oberflächenbeschichtungen und damit auch Putzen, ist die „Richtlinie zur visuellen Beurteilung beschichteter Oberflächen“ des Arbeitskreises der Sachverständigen im bayerischen Maler- und Lackiererhandwerk. Diese Richtlinie wurde erstellt zur:
- visuellen Beurteilung handwerklich beschichteter Oberflächen
- Beurteilung optischer Beeinträchtigungen
- Beurteilung der Regelleistung und Berücksichtigung gewerblicher Toleranzen
- Beurteilung beschichtungsbedingter Beeinträchtigungen, z. B. Fremdeinschlüsse, Struktur, Glanz, Deckvermögen, Krater, Bläschen, Ansätze
- Beurteilung untergrundbedingter Beeinträchtigungen, z. B. Struktur, Lunker, Löcher, Grate, Unebenheiten, Risse
Ein Geltungsausschluss wird in dieser Richtlinie über die technischen Mängel, welche keinerlei Auswirkungen auf die optische Erscheinung einer beschichteten Oberfläche haben, getroffen. Ergo Putzrisse mit einer Rissbreite >0,2 mm, Unebenheiten wider die Ebenheitstoleranzen, Putzabplatzungen aufgrund mangelnder Adhäsion etc. pp. All das sind technische Mängel und damit in der genannten Richtlinie nicht berücksichtigt. Müssen sie auch nicht, denn dafür gibt es bereits zahlreiche Regelwerke, angefangen bei DIN-Vorgaben und WTA-Merkblättern bis hin zu den Verarbeitungshinweisen der Hersteller.
An dieser Stelle auch einen Hinweis an die Auftraggeber. Hersteller neigen dazu, wie alle Wirtschaftsunternehmen, ihre Kunden im Streitfall bestmöglichst zu schützen. Der zu schützende Kunde sind dabei nicht wirklich Sie, als Bauherr, das ist in aller Regel der Auftragnehmer, ergo der Handwerksbetrieb. Das ausführende Unternehmen (Handwerker) bestellt ja zumeist regelmäßig Waren, ist also derjenige, der immer wieder Ware bestellt. Sie als Bauherr werden Ihre Putzflächen die nächsten Jahrzehnte eher nicht auswechseln und sind damit als „Einmalkunde“ nur für den Moment interessant, bis sie alle Rechnungen bezahlt haben. Finden Sie einen Mangel und zeigen diesen bei dem Handwerker zur Mängelbeseitigung an, so kommt dieser in den meisten Fällen mit einem Vertreter des Produktherstellers zu Ihnen. Häufig höre ich als Bausachverständiger – neben dem abgeschlossenen Baustudium übrigens auch gelernter Stuckateur – dass Handwerker und Vertreter auf der Baustelle spazieren gegangen sind, dabei weder etwas gemessen noch fotografiert und letztlich einfach festgelegt haben, dass bei Ihnen kein Mangel vorliegt. Dies bekommen Sie dann auch gerne schriftlich, nur nicht ganz so klar definiert wie mündlich vor Ort (hier wird in der Tat auch gerne mal mit Unwahrheit gehandelt). In solchen Situationen ist es in 99,9 % aller Fälle ratsam, wirklich auch einen unabhängigen und neutralen Baugutachter zu konsultieren und sich entsprechend beraten zu lassen.
Aus der Erfahrung heraus sind durch den Handelsvertreter euphemistisch dargestellte Unregelmäßigkeiten fast immer ein Mangel, welcher zur Rüge berechtigt. Nicht selten ist der Handelsvertreter ein Kaufmann, der vom Handwerk nur über diverse firmeninterne, theoretische Schulungen erfahren hat aber von selbigem keinerlei Praxiserfahrung vorweisen kann. Praxiserfahrung ist aber genau das, was den fachkompetenten Beurteiler ausmacht – nicht nur beim Handelsvertreter – auch beim Bausachverständigen.
Für weitere Fragen rund um Mängel und Schäden bei verputzten Oberflächen sind wir vom Sachverständigenbüro Holzmann-Bauberatung® gerne für Sie da. Rufen Sie uns einfach unter Tel.: 0821 – 60 85 65 40 an.
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