Vor Kurzem hatte ich Ihnen aufgezeigt wie Kalk entsteht und welche Arten von Kalk es im Gros gibt. Heute versuche ich Ihnen einmal aufzuzeigen, welche Kalke man sehr gut auch in der heimischen Wohnung nutzen kann. Aufgrund der immer höheren Allergierate, verbunden mit zunehmend schlechter Raumluftqualität, wäre es meines Erachtens wichtig das Augenmerk viel mehr auf den einfachen Kalk und seine Produktvarianten zu werfen.
Organische, ergo künstlich hergestellte Putze sind zwar nicht selten angenehmer zu verarbeiten, da das Material oft schon verarbeitungsfertig im Eimer beziehbar ist, jedoch enthalten diese Putze auch Kunstharze (organische Bindemittel) wie zum Beispiel Silikonharze (Polymethylsiloxane oder Polymethylphenylsiloxane), die auch wieder eine ganze Reihe von Stoffen enthalten, welche für einen ausgesprochenen Allergiker ein Grauen sein können. Natürlich werden viele Verkäufer und auch einige Hersteller diesem voll und ganz widersprechen und vielleicht mit Ansprachen wie: „Die Dichtungen um die Badewanne sind auch aus Silikon, da gabs noch nie Probleme“ argumentieren. Diese Aussagen darf man jedoch getrost überhören, denn dass die diversen Silikonharze, welche mitunter auch Verbindungen der Phenylgruppen enthalten, vielen Menschen gesundheitliche Probleme bereiten, wurde mittlerweile weit mehr als einmal belegt. Abgesehen davon ist das Silikon um die Badewanne (Silikonelastomere) ein völlig anderes als das im Putz.
Aber ich will Sie nicht mit chemischen Formeln und schwer lesbaren chemischen Substanzen langweilen, denn ein für die Gesundheit völlig unbedenkliches Bauen, geht im Grunde immer ohne umständliche chemische Formeln und Zutaten. Lehm, Kalk, Stein, Sand, Holz und Co. sind einfach zu lesen, noch einfacher zu gewinnen und mit ein wenig Sachverstand, einer „rechten Hand“ und etwas Übung auch einfach weiterzuverarbeiten. Hier muss man auch nicht völlig von baufachlichem Know How befreite Marketingagenturen beauftragen, die Textchen reimen, in welchen möglichst oft, die nicht selten gelogenen Worte „Natürlich“, „Ökologisch“, „Biologisch“ oder das ohnehin schon von solchen Werbungsmachern vermüllte Wort „Nachhaltig“ vorkommt. Völlig unnötig, denn diese Stoffe liegen mehr oder minder direkt vor der Haustüre und jeder, der eine Kindheit hatte, in der er auch mal im Freien spielen durfte, kennt den Unterschied zwischen Stein und Sand. Auch wenn dieses Lernen erst etwas später beim Schottern von Bahngleisen statt gefunden hat.
Aber zurück zum Kalk. Kalk ist, wie die meisten wohl wissen, für die Bau-, Mal-, Anstrich- und Putztechnik das Material, das im Umfang und in der Vielfalt der Anwendungen ganz vorne steht. Die Freskenmalereien von Michelangelo in der sixtinischen Kapelle des Vatikans dürften viele kennen oder zumindest schon einmal davon gehört haben – ohne Kalk, würde es die gar nicht geben. Kalkputze, Kalkfarben, Kalkanstriche und selbst einfache Kalkschlämmen sind seit hunderten von Jahren beliebt. Nicht umsonst, denn Kalk bzw. das Kalkhydrat ist Bindemittel, farbgebende weiße Substanz und chemisch wirksamer Haftvermittler (bei kalkhaltigen Untergründen) in einem, was durchaus als einmalig in der Anstrich und Maltechnik zu betrachten ist. Kalk in Putzen, ob als reiner Kalkputz mit Luftkalk, als Kalkzementputz, Gips-Kalkputz oder Kalk-Gipsputz, ist im Grunde gar nicht mehr aus dem Baugeschehen weg zu denken. Selbst die synthetischen Putze nutzen nicht selten den Kalk, als wertvolle Zutat.
Die interessantesten Kalkputze dürften wohl die Kalkputze der Putzmörtelgruppe P I sein, die sogenannte Kalkmörtelgruppe. Hier sind unter PI a die Luftkalkmörtel, unter PI b die Wasserkalkmörtel und unter PI c die Mörtel mit hydraulischem Kalk eingeteilt. Alle diese Kalkputze beinhalten nicht mehr und nicht weniger als 1 Teil Kalk, 3 bis 4 Teile Sand und etwas Anmachwasser.
Welche Art von Putz wo angewendet werden kann, bestimmt die Art des Kalkes. Wird ein hydraulischer Kalk genutzt (Putzmörtelgruppe PI b und auch PI c) so haben wir in aller Regel einen Außenputz vorliegen (hydraulische Bindemittelerhärten an der Luft und im Wasser). Wird hingegen ein nichthydraulischer Kalk, wie zum Beispiel der Luftkalk genutzt, so haben wir einen ausgesprochenen Innenputz (nichthydraulische Bindemittel erhärten nur an der Luft und sind nicht wasserbeständig nach dem Austrocknen). Eines aber haben all diese Putze gemeinsam, es sind mineralische Putze und zwar rein mineralische Putze ohne Kunststoffe. Oben drein ist Kalkputz von Natur aus dermaßen alkalisch, dass sich Schimmelpilze und Bakterien hierauf gar nicht wohlfühlen. Das Problem des Algen- und Schimmelpilzbewuchses, welches sich bei synthetischen Putzen wenige Jahre nach dem Verputzen häufig darstellt, gibt es hier nicht, wenn im regelmäßigen Abstand auch ein Kalkanstrich auf die Wände aufgetragen wird. Das beweisen auch die unzähligen Viehställe, deren Wände von den Landwirten selbst einfach nur gekalkt werden und an denen kein Schimmelpilz zu finden ist. Zugegeben ein Beispiel, das so oft schon für Argumente benutzt wurde, dass es so manch Kollege gar nicht mehr hören kann, aber auch ein Gutes, denn in einem Kuhstall oder Ähnlichem, sind schon aus dem Naturell heraus dermaßen viele Bakterien, Keime und Pilzsporen durch die Ausscheidungen der Tiere, aber auch durch die natürlichen Sporenanhaftung an dem Futter (Heu, Gras etc.) vorhanden, dass man es extremer kaum nachstellen könnte. In einer normalen, einigermaßen gepflegten menschlichen Wohnumgebung ist die Belastung in aller Regel um einiges geringer.
Ein Nachteil hat Kalkputz allerdings und den will ich nicht verheimlichen:
Reinen Kalkputz aus dem Putzsäckchen muss man selbst mit Wasser und einem Quirl anmischen, bevor man ihn auf die Wand auftragen kann. Greift man zu den Einzelteilen Kalk, Sand und Wasser, wird der Aufwand insofern höher, als dass man mindestens bis vier zählen können muss. Den Eimer aufreißen und dessen manchmal komisch riechenden Inhalt direkt auf die Wand zu schmieren klappt hier nicht.
Eimer aufreißen, kurz anrühren und an die Wand schmieren klappt aber auch bei Kalk. Nicht beim Putz, aber bei einem einfachen Kalkanstrich.
Die einfachste Form einer Kalkfarbe dürfte wohl die Kalktünche bzw. die Kalkschlämme sein. Für einen weißen Anstrich ohne Färbung benötigt man nichts anderes als eingesumpften Kalk. Diesen gibt es tatsächlich fertig zu kaufen, allerdings sollten Sie darauf achten, dass der Preis des Produktes auch angebracht ist. Sumpfkalk, also fertig eingesumpfter Weißkalk, liegt bei einem gewöhnlichen 10 kg Eimer, bei einem Brutto Einkaufspreis, der in keinem Fall die 10 Euro erheblich überschreiten sollte. Zumeist liegen wir in einem Bereich zwischen 4 und 8 Euro für den 10 kg Eimer. Alternativ kann man auch einfach Weißkalkhydrat im Sack kaufen und diesen selbst mit Wasser anrühren (1 Sack Weißkalkhydrat: Brutto ca. 5,00 Euro). Diesen lässt man dann am besten über Nacht sumpfen und rührt ihn vor dem Anstreichen nochmals ordentlich mit einem Quirl auf. Wollen Sie, dass die gestrichene Oberfläche nicht so sehr abkreidet, dann fügen Sie beim Aufrühren des Sumpfkalkes einfach langsam ein paar Tropfen (nein, wirklich nur ein paar Tropfen) Leinöl dazu. Will man einen farbigen Anstrich, so fügt man entsprechende Pigmente in Pulverform hinzu, bzw. mischt diese unter Rühren bei. Der große Vorteil dieses einfachen Anstriches ist seine hervorragende desinfizierende Wirkung.
Neben der einfachen Kalkschlämme ist es auch möglich, Kalkcaseinfarben selbst herzustellen und das auch ohne großem Know How oder gar Profiwerkzeugen. Solche Farben sind selbst in einfachen Küchenmaschinen anzurühren. Die Zutaten hierfür wären abgerahmte Milch, gelöschter Kalk (Supfkalk), Leinöl und weißer Ton oder geschlämmte Kreide. Der gelöschte Kalk wird hierbei mit etwas Milch zu einem dicken Brei vermischt. Anschließend wird das Leinöl eingemischt und wieder etwas Milch zugegeben. Zu guter Letzt kommen der Ton, die Kreide oder eventuell färbende Pigmente hinzu. Die Kalkcaseinfarbe wird in mehreren Lagen aufgetragen, will man die Oberfläche mit einem leichten Glanz versehen, so kann man einen Endanstrich aus Eiweiß und Wasser auftragen. Allgemein sind Kalkkaseinfarben allerdings nicht für den Außenbereich oder in ausgesprochen feuchten Räumen bzw. Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit zu verwenden.
Neben diesem gibt es natürlich auch Kalkkaseinleimfarben weitere auf kalk basierende Farben. Getestete und für gut befundene Rezepte finden Sie in der App „Baulexikon“ bei ITunes oder auch im Sachbuch „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“ (zweite erweiterte Auflage ab ca. September 2011) von wo auch die vorgenannten Beispiele herrühren.