Die unterschätze Gefahr
Seit Blei in den 70er Jahren aus den Kraftstoffen genommen wurde, sind bleibedingte Erkrankungen erheblich zurückgegangen. Ganz verschwunden sind Bleivergiftungen dennoch nicht, weil es immer noch zahlreiche Ursachenquellen gibt, an die kaum jemand denkt. Blei kann über die Nahrung, über den Inhalationsweg und über die Haut aufgenommen werden und schädigt in erster Linie das Nervensystem. Wenn die Ursache aufgedeckt und beseitigt ist, kann eine professionelle Entgiftung in den meisten Fällen gravierende Gesundheitsverbesserung bringen.
Bleihaltige Farben und Lacke
In einigen Pariser Vierteln wurden die wunderschönen alten Wohnungen saniert. Hohe Stuckdecken und geweißte Wände wurden erneuert. Kurz darauf ging es etlichen der Bewohner schlecht und ihr Gesundheitszustand wurde mit der Zeit nicht besser, sondern immer schlechter. Was war passiert? Die alten Anstriche hatten Blei enthalten und als die Farben in den Wohnungen heruntergenommen wurden, legte sich der Staub überall nieder. Bleihaltige Farben und Lacke finden sich auch in Deutschland noch in recht vielen Altbauten und die heutigen Bewohner rechnen nicht mit dieser aus den Wänden, Decken, Fensterrahmen, Türen und Türzargen. Historische Gebäude können bspw. noch richtige bleiverglaste Fenster besitzen oder Blei anstatt Fensterkitt. Bleibleche für das Dach, an Dachfenstern oder Kaminverblechungen aus Blei, als auch bleihaltiges Lötzinn sind hingegen auch heute noch in der Anwendung.
Bleirohre: Kontaminiertes Wasser
Mancher Bewohner eines älteren Hauses ist sich nicht bewusst, dass Bleiwasserrohre oder mit Blei verlötete Rohrstücke im Haus verlegt sind. Oft bringt ein erst Umbau das Vorhandensein von Bleirohren zutage. Bleiwasserrohre müssen ersetzt werden. Die verbreitete Praxis, das Wasser „ablaufen“ zu lassen um die Kontaminierung des Wassers mit dem Schwermetall zu reduzieren, reicht bei weitem nicht aus. Insbesondere Schwangere, Kinder und Kleinkinder sollten absolut kein Wasser aus bleihaltigen Leitungen konsumieren.
Sonstige Bleiquellen
Industriegelände mit Bleialtlasten (Ständige Staubbelastung), Metallschmelzen, Lackierereien (Abschleifen alter Lacke), alte bleiverlötete Konservendosen (daran starben u.a. Expeditionsteilnehmer), Keramik-Glasuren, Tongeschirr, Bleiglas, Bleizinnbecher und – Teller, alte Emaille-Töpfe, Tiffanylampen, vereinzelt in Kosmetika aus Afrika und Asien, Piercings, Zahnamalgam, Haschisch (das mit Bleiglaspulver versetzt wurde, um das Verkaufsgewicht zu erhöhen), Billig-Spielwaren aus China, billiger Modeschmuck, Munitionsschmauch (Schießen in geschlossenen Räumen), Freisetzung von Bleistaub durch Sandstrahlung von Metallbrücken, Strommasten etc.,. die mit Bleimenninge gestrichen waren, Abfallverbrennungsanlagen, häufiges Essen von Wildpilzen, Innereien und Muscheln.
Bleiintoxikation: Symptomatik und Diagnostik
Blei bindet sich an die Erythrozyten und Plasmaproteine und wandert in Weichteilgewebe wie Gehirn, Lunge und Leber ab. Dort verbleibt es rund drei Wochen und wird teilweise ausgeschieden. Schwere Hirnschädigungen und Gehirntumore durch Blei werden in der Medizin beschrieben. Der verbleibende Anteil lagert sich vornehmlich in den Knochen und Zähnen anstatt Calcium ein, wo das Gift dann eine Halbwertzeit von ca. 5-20 Jahren hat. Es kann phasenweise zu einer Mobilisation kommen, wodurch Blei in den Blutkreislauf eindringt und akute Symptomatik verursacht.
Symptomatik bei Bleivergiftung:
– Buchstäbliche bleierne Müdigkeit
– Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Desorientierung
– Magen-Darmbeschwerden, Darmkoliken (Bleikoliken), häufiges Erbrechen
– Gliederschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper
– Schädigung des peripheren und zentralen Nervensystems, Polyneuropathie
– Lernstörungen, Gedächtnisverlust, Verhaltensauffälligkeiten (anormale Aggression, Hyperaktivität)
– Toxische Enzephalopathie, Krämpfe, IQ-Verlust
– Verfärbung des Zahnfleischs (Bleisaum)
– Beeinträchtigt die Blutbildung (blei hemmt drei an der Blutbildung beteiligte Enzyme), schädigt das Knochenmark
– Nierenschäden
– Fortpflanzungsstörungen, niedriges Geburtsgewicht
– Haarausfall, blasse, gelblich-graue Hautfarbe
– Kreislaufversagen, Koma, Tod (bei schwerer Intoxikation)
Neben einer gründlichen Anamnesestellung und dem Feststellen der Blei-typischen Symptomatik liefern Blut- und Urintests schlussendlich eine Bestätigung, ob eine Belastung tatsächlich vorliegt. Bleidepots in den Knochen lassen sich durch eine EDTA Provokation ermitteln.
Therapie und Ursachenbeseitigung
Die Therapie bei einer eindeutigen Bleiintoxikation wird meist mit EDTA oder D-Penicillanmin (Chelatbildner) durchgeführt. Wichtig ist, dass ausgeschiedene Spurenelemente hinterher ergänzt werden und während der Therapie eine ständige Kontrolle der Nierenfunktion erfolgt.
Gleichlaufend müssen alle Ursachen der Bleivergiftung aus dem Umfeld systematisch eliminiert werden (s.o.). Ein qualifizierter Baubiologe und/oder Bausachverständiger kann bei Verdacht auf eine Bleibelastung mittels Analysen und Hausbegehung Aufschluss geben. In schwerwiegenden Fällen ist ein Umzug unumgänglich, bspw. wenn bleihaltige Farben im Haus verstrichen wurden, Betriebe oder Altlastengelände sich im Umfeld befinden, die Blei emittieren oder bleihaltigen Staub verbreiten.
Sind die Wasserleitungen im Haus noch aus Blei, sollten professionelle Wasser- und Duschfilter installiert werden. Deren Effizienz kann durch Wasseranalysen überprüft werden. Für die Übergangsphase, bis adäquate Filter installiert sind, empfiehlt es sich Wasser aus Glasflaschen zum Kochen und Trinken zu verwenden und auf Vollbäder zu verzichten. Nach einer Weile ist eine Verlaufskontrolle der Blut- und Urinwerte auf deren Bleigehalt ratsam, um sicherzustellen, dass kein Schadstoff-Neueintrag stattgefunden hat und die Belastungsquellen tatsächlich eliminiert wurden.
Autoren:
+Silvia K. Mueller CSN – Chemical Sensitivity Network
—> http://www.csn-deutschland.de
+Gerhard Holzmann Sachverständigenbüro Holzmann-Bauberatung
—> http://www.Baubegriffe.com
Dieser Artikel wurde bereits am 23. August 2011 erstellt