In China heißt es: „Wer genügend Reis besitzt, kann seine Familie immer ernähren und ist deshalb reich und glücklich.“ Bei uns könnte man auch sagen: „ Wer genügend Reis an der Fassade hat, hat eine schöne und trockene Fassade und ist deshalb glücklich.“
Surrogate zu Holzprodukten sind vielzählig, manchmal sinnvoll, manchmal eher ein verzweifelter Versuch der Nachahmung, der allerdings selten die Vorteile des Naturprodukts aufbringen kann. So hatte ich selbst vor ein paar Jahren einige Versuche mit Wood-Plastic-Compount (WPC) durchgeführt und wurde teils recht negativ überrascht. Viele der angepriesenen Vorteile sind schlicht nicht vorhanden gewesen. So verzog sich das Material, das eigentlich als Dauerhaft für Terrassenbeläge ausgeschildert war, nachdem es über einen Zeitraum von 40 Tagen in Dauernässe gelegen hat. Sogar Risse im Bereich von Verschraubungen waren nach Nässebelastung zu erkennen und dem nicht genug verfärbten sich ein paar der Produkt teils extrem durch die Sonneneinstrahlung. Alles nicht so toll und am Ende widersprach das Ergebnis meiner Tests den Werbeversprechen in nahezu jedem Punkt. Obendrein blieben Zweifel ob es sinnvoll ist, in einer Welt, die immer mehr in Kunststoffmüll versinkt, noch weitere Kunststoffprodukte in den Markt zu bringen. Das nachfolgend vorgestellte Produkt ist im Grunde auch ein Kunststoffprodukt, denn Steinsalz und Erdöl sind Grundstoffe zur Herstellung diverser Kunststoffe. So wird mit den beiden Rohstoffen mitunter PVC hergestellt, der mengenmäßig weltweit drittgrößte Kunststoff, der jedoch auch sehr breit umstritten ist, denn seine Weichmacher gelten schon jetzt als gesundheitlich äußerst bedenklich. Was das hier nun vorgestellte Produkt jedoch unterscheidet ist der Einsatz von Reisspelzen anstatt Holz. Ergo man nutzt damit einen sonst eher ungenutzten Rohstoff und schont den Holzvorrat, der dadurch natürlich für andere Zwecke genutzt werden kann und da das Produkt großteils tatsächlich aus Naturmaterial besteht möchte ich es auch hier vorstellen.
Reis statt Holz
Eine relativ junge Art des Holzersatzes stellt seit 1996 eine Firma im bayerischen Forsting her. Mit der Grundidee ein witterungsbeständiges und wasserfestes Material zu erzeugen, das aus einem nachwachsenden Rohstoff gewonnen wird, hat alles begonnen. So entstand nach 15 Jahren der Forschung ein faserverstärktes Hybridmaterial, das zu ca. 60% aus Reisspelzen (Reishülsen), zu ca. 22% aus Steinsalz und zu ca. 18% aus Mineralöl hergestellt wird. Quasi eine Art WPC nur eben ohne Holz. Mittlerweile werden daraus Bodendielen für Terrassen, Bauplatten für Fassadenbekleidungen, den Innenausbau oder für Möbel im Flachpressverfahren gefertigt. Selbst Platten für Beplankungen von Schiffsdecks oder zur Ausfachung von Stalltrennwänden, Banden von Reitbahnen oder Regalböden in der Lebensmittellagerung werden produziert.
Besser als WPC
Die Vorteile des Produkts vereinen und vor allem verbessern die von WPC und Vollholz nur das es eben beides nicht ist. Hervorzuheben wäre vor allem die Wasserfestigkeit, welche selbstverständlich auch unabhängig, nach DIN EN 11341, geprüft wurde. Um Vergleiche mit anderen Produkten zu gewinnen wurden hierzu 15 unterschiedliche Produkte, wie beispielsweise die Sibirische Lärche, Bangkirai, unterschiedliche WPC Produkte, aber auch Thermoesche und andere einer 2000 Stunden langen künstlichen Bewitterung ausgesetzt, was ungefähr einer Außenbewitterung in der Dauer von 15 Jahren entspricht. Während die meisten Produkte nach DIN 20105-A02 (Farbveränderung in Graumaßstabsstufen) starke bis sehr starke Farbveränderungen und teils sogar Risse aufwiesen, zeigte die „Reisbauplatte“ als einziger Baustoff erkennbare aber nur sehr geringe Farbveränderungen.
Warum Reis
Man mag sich nun die Frage stellen, warum gerade die Schalen der Reiskörner. Nun, Reis ist ein Nahrungsmittel, das in erstaunlichen Mengen konsumiert wird, nicht direkt bei uns, aber in vielen anderen Ländern dieser Welt, wie beispielsweise China, Indien oder Indonesien. Dabei dient vor allem das Reiskorn ohne Spelze (Haut des Korns) der menschlichen Nahrung. Statistische Erhebungen gehen von einem weltweiten Reiskonsum von ca. 424 Millionen Tonnen jährlich aus. Man sagt, dass weltweit pro Sekunde grob überschlagen 13.400 kg Reis konsumiert werden. Nicht ganz soviel wie Weizen (ca. 679 Millionen Tonnen weltweit pro Jahr), aber doch erheblich. Somit ist ersichtlich, dass jede Menge Reisspelzen vorhanden sind, die bisher wenig bis gar nicht genutzt werden.
Haftvermittler nicht nötig
Die stoffliche Eigenschaft der Reisspelzen ist ideal für den Einsatz als Baustoff. So enthält ein kg Reisschalen, neben anderen Inhaltsstoffen ca. 75 g Silizium (Halbmetall), 0,28 g Magnesium (Erdalkalimetall) oder auch 1,37 g Kalzium (Erdalkalimetall). Durch den Zusatz von natürlichem Steinsalz , das bekanntlich aus um die 97% Natriumchlorid (Kochsalz) besteht, werden die Produkteigenschaften noch weiter positiviert. Man kann das beinhaltete Mineralöl bemäkeln, womit ein fossiler Rohstoff im Produkt vorhanden ist. Allerdings muss man dazu auch erwähnen, dass in so manch WPC Produkt weit mehr fossiler Rohstoff, vor allem aber auch weitere Stoffe wie Haftvermittler enthalten sind. Denn WPC-Produkte, die mit mineralölbasierenden Massenkunststoffen wie PP oder PE produziert werden, kommen ohne den Zusatz von Haftvermittlern wie beispielsweise Maleinsäureanhydrid, nicht zu einer stabilen Verbindung zwischen Holzfasern und Kunststoff. Dabei gilt es zu wissen, dass Maleinsäureanhydrid eine gesundheitsgefährdende und ätzende Chemikalie ist. Solch Stoffe sind in der REACH-konformen Werkstoffplatte aus Reisspelzen laut Aussage des Herstellers eben nicht enthalten und auch nicht nötig, denn die Reisspelzen verbinden sich mit den anderen zugefügten Stoffen auch ohne Haftvermittler.
Eigenschaften und Preis
Die Reiswerkstoffplatten sind UV-beständig, wie erwähnt wasserfest, Salz- und Chlorbeständig, Rissbeständig, antistatisch, beständig gegenüber Insekten- und Pilzbefall, Verrottungssicher aber dennoch zu 100% recyclebar. Sie haben eine hohe Festigkeit, das Aussehen von Holzwerkstoffplatten, sind rutschfest, es kommt zu keiner Splitterbildung und sie können farblich individuell gestaltet werden wobei sie auch dann noch sehr pflegeleicht sind. Preislich liegen die Werkstoffplatten zwischen 6,20 €/m2(2mm Stärke) und 19 €/m2 (6 mm Stärke) wobei auch Plattenstärken von 3, 4 und 5 mm angeboten werden. Die Standardplattengröße liegt bei 2,10 m Länge und 1,25 m Breite. Werkstoffplatten sind jedoch bei weitem nicht das einzige Produkt, wie ich etwas weiter oben auch schon erwähnte.
Zusammengefasst darf man durchaus schreiben, dass es sich hier um einen idealen Naturfaser-Compount handelt, der hervorragend als Fassadenbekleidung eingesetzt werden kann und für diesen und anderen Nutzen auch lang anhaltende Freude gewährt. Wenngleich wir auch hier und kritisch betrachtet ein Kunststoffprodukt vorliegen haben
Wissenswertes zum Reis in Kürze
Allgemein unterteilt man die Reispflanzen in Wasserreis und Trockenreis. Im Grunde erklären sich die Begrifflichkeiten von selbst, die eine Art braucht viel Wasser und wächst auch in solchem, die andere, die auch als Bergreis betitelt wird, wird im Regenfeldbau, also auf Böden mit guter natürlicher Wasserführung und ohne Wasserakkumulation an der Oberfläche angebaut. Allgemein gibt es über 20 Arten der bekannten Gattung Oryza, die wiederum alle zur Familie der Gramineae ( = Poaceae = Süßgräser) zählen.
Archäologische Belege weisen darauf hin, dass der Reisanbau der Sorte Oryza sativa in China, Indien und Thailand bereits 5.000 bis 5.500 v. Chr. vollzogen wurde. In Westafrika hingegen wird die Sorte Oryza glaberrrima seit ca. 3.500 Jahren kultiviert. Nach Europa aber kam der Reis wohl über den Nahen Osten. In Amerika ist Reis seit ca. dem 17. Jhd und in Australien seit ca. dem 18. Jhd bekannt. Heutzutage zählt Reis nach dem Weizen zur wichtigsten Getreidekultur. Obwohl die reisproduzierenden Länder teils immer noch Entwicklungsländer sind und der Anbau selbst viel Handarbeit benötigt, hat sich die Weltreisproduktion fast in gleichem Tempo wie die Weizenproduktion entwickelt. So erreichte die Produktion zwischen ca. 1961 und 1981 eine Steigerung von ungefähr 192%, wobei der Hauptlieferant (auch heute noch) China ist.
Kurz und knapp: Reis außerhalb des Kochtopfes
Das Stroh der Reispflanzen (Oryza sativa) dient und diente seit vielen Jahrhunderten als Flechtematerial für beispielsweise Hüte, hier vor allem in China. Apropos in China wurde und wird, neben der Nutzung als Nahrungspflanze, auch Bier, Schnaps und vieles weitere aus Reis bzw. deren diverser Pflanzenteile hergestellt. Die Betitelung Reisbesen (nicht zu verwechseln mit dem Reisigbesen) hat Ihren Ursprung tatsächlich in der Herstellung von Besen aus Reisstroh. Wobei etwas später diese Besen nicht mehr aus Reisstroh, sondern aus Sorghumgras hergestellt wurden. Sorghumgras ist eine Süßgrasart deren bekanntester Vertreter wohl die Sorghumhirse ist. Die Sorghumhirse ist eine Pflanzengattung aus dem Tribus Andropogoneae, wozu wiederum auch Mais, Zuckerrohr und andere bekannte Nutzpflanzen zugeordnet werden. Ergo Reisbesen ist nicht gleich Reisbesen.
Selbst Papier wurde in China lange Zeit aus dem Stroh des Reises gewonnen. So ist das älteste aus Stroh gefertigte Papier aus dem Stroh der Reispflanze. Allerdings ist auch Reispapier nicht gleich Reispapier. Im Gegensatz zu dem was man damals als Reispapier betitelte, wird das heutige Reispapier seit einigen hundert Jahren kaum mehr von der Reispflanze gewonnen, die auch das vielseitige Getreide liefert, sondern von dem Reispapierbaum (Tetrapanax papyrifer), der als Angehöriger der Familie der Araliengewächse (Araliaceae) keine Getreidepflanze ist.
Sehr bekannt war zu früheren Zeiten auch der sogenannte Reispuder. Ein Kosmetikprodukt, das um 1900 beispielsweise aus Reis, Kalk, Zinkoxid, Rosenöl, Irisöl und einer mit Alkohol verdünnten Moschustinktur hergestellt wurde.
Sie sehen Reis ist mehr als nur ein Nahrungsmittel. Reis ist eine Rohstoffpflanze, die tatsächlich in jedem einzelnen Bestandteil genutzt werden kann, egal ob hieraus wasserfeste Werkstoffplatten, Besen, Papier oder gar Partygetränke und vieles mehr entstehen. Es wird gar so viel daraus gemacht, dass ich dies alles hier gar nicht in der Kürze eines Blogtextes zusammenfassen kann aber dennoch hoffe, Sie inspiriert zu haben. Wer weiß, vielleicht haben wir auch bald „Reisbaustoffe“, bei denen völlig auf synthetische Stoffe verzichtet wird. Die Grundidee Werkstoffplatte aus Reis ist ja schon mal ein richtig toller Anfang.
Wenn Sie mehr wissen wollen, können Sie jederzeit Kontakt mit mir aufnehmen (Tel.: 0821 – 60 85 65 40).