AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 06.01.2022 – 409 C 104/17
Bleihaltiges Trinkwasser stellt einen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB dar.
Zitat aus der Urteilsbegründung:
„….bb) Die Wohnung hat mit Blick auf ihr bleihaltiges Trinkwasser einen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB aufgewiesen, der ihre Gebrauchstauglichkeit gemindert hat. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen … fest. Danach hat das in der Küche gezogene Trinkwasser im November 2019 mit einem Bleigehalt von 0,029 mg/L den für Blei geltenden Grenzwert von 0,01 mg/L deutlich – um das 2,9-fache – überschritten, was nach den Feststellungen des Sachverständigen auf eine bleihaltige Quelle im Trankwasserverteilungssystem zurückzuführen ist, die kontinuierlich Blei ins Trinkwasser abgibt. Dieses Ergebnis kann nach den Ausführungen des Sachverständigen auf den Zeitraum August 2016 übertragen werden.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass Blei bereits in sehr niedrigen Aufnahmemengen gesundheitsgefährdend sei und bei Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern das Nervensystem schädigen und die Blutbildung und die Intelligenzentwicklung beeinträchtigen könne. Ungeborene im Mutterleib und Kleinkinder seien besonders gefährdet. Angesichts der Überschreitung des Grenzwerts für Blei im Trinkwasser um fast das Dreifache sind also Gesundheitsschäden hier nicht auszuschließen gewesen. Zwar ist es nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen möglich, unbelastetes Trinkwasser in der Küche der Wohnung zu erhalten.
Dafür muss das Wasser aber über einen Zeitraum laufengelassen werden, der nach Auffassung des Gerichts nicht mehr als kurz bewertet werden kann. Auch wenn man die Behauptung des Beklagten zugrunde legt, dass die Trinkwasserleitungslänge bis zum Hauswasseranschluss 10 Meter beträgt (und nicht 15 Meter, wie vom Sachverständigen aufgrund des skizzenhaften Strangschemas [Bl. 144 d.A.] angenommen) und wenn man den vom Sachverständigen angesetzten geringstmöglichen Innenrohrdurchmesser von 12 mm zugrunde legt, muss man das Wasser mindestens 7 Sekunden laufen lassen bis zur Temperaturkonstanz, also bis man die Trinkwasserqualität des Wasserversorgers zu erreicht. Dies liegt weit über dem, was das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 05.02.1991 (Aktenzeichen 16 S 33/88) für unerheblich im Sinne des heutigen § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB erachtet. Im dortigen Fall ist Trinkwasserqualität schon nach 1 bis 2 Sekunden bei voll aufgedrehtem Wasserhahn zu erreichen gewesen. Diesen geringen Zeitaufwand hat das Landgericht für zumutbar und wirtschaftlich vertretbar erachtet, insbesondere mit Blick darauf, dass es vielfach so gehandhabt werde, das Standwasser ganz kurz ablaufen zu lassen, um es von Schwebestoffen zu befreien. Diesen Überlegungen schließt sich das Gericht an. Ein Laufenlassen des Wassers von mindestens 7 Sekunden ist hiermit aber nicht mehr vergleichbar. Ein solcher Zeitraum übersteigt den vom Landgericht angenommenen um mehr als Dreifache. Eine solche Situation kann einem kurzen Öffnen des Wasserhahns nicht gleichgesetzt werden, sondern verlangt geradezu eine Wartezeit des Nutzers. Hier kann von einer unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung nicht mehr die Rede sein, zumal aus Vorsichtsgründen bei jeder Wasserentnahme ein solches Verhalten angewandt werden müsste, d.h. mehrmals täglich.
Das Gutachten des Sachverständigen … ist überzeugend. Dieser hat nachvollziehbar die vorgenommenen Probeentnahmen dargelegt und das Vorgehen dabei im Einzelnen erläutert. Auch die Parteien haben gegenüber den einzelnen Schritten des Sachverständigen und den von ihm gewonnen Ergebnisse – mit einer Ausnahme – keine Einwände erhoben. Lediglich die Annahme des Sachverständigen von der Länge der Wasserleitung ab Hausanschluss hat der Beklagte bemängelt. Diesem Einwand hat das Gericht, wie oben dargelegt, Rechnung tragen können, ohne dass es einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen bedurft hat.…“
Quelle und Volltext: irb-online.de